Freiheit

Mit den Napoleonischen Kriegen fand ein geschichtlicher Abschnitt sein Ende, der ein Vierteljahrhundert zuvor mit der Französischen Revolution begonnen hatte. Unter den Schlüsselbegriffen, welche die Ziele der Revolutionäre kennzeichneten, war es vor allem der Grundwert der Freiheit, der in der Folgezeit das politische Denken in ganz Europa beherrschte.

Dem Bewußtsein der ersten Burschenschafter jedoch galten die Freiheitsideale und die damit verbundene Forderung nach Freiheitsrechten keinesfalls als sich erstmalig bekundete Neuigkeiten; vielmehr betrachteten sie Freiheit als alten, grundlegenden Wert deutscher Volkskultur, der seit dem Ausgang des Mittelalters mehr und mehr an Kraft und Wirkung verloren hatte, und der nun zu neuer Geltung gebracht werden sollte.

Einer Charakterisierung der sich entwickelnden burschenschaftlichen Freiheitsauffassung muß eine Begriffserläuterung in einem weiteren Sinne vorangehen.

Freiheit im allgemeinen läßt sich beschreiben als die Abwesenheit äußerer Zwänge und Bindungen. Daraus ergibt sich für den Einzelnen die Freiheit als Naturrecht, welches es dem Willen ermöglicht, in Wort oder Tat Niederschlag zu finden; begrenzt nur dort, wo die Freiheitsrechte eines anderen beginnen.

Ferner ist der Begriff der Freiheit nicht nur anzuwenden auf Einzelpersonen, sondern betrifft in gleichem Maße gesellschaftliche Zusammenschlüsse bis hin zu Nationen und Staaten.

Das burschenschaftliche Freiheitsverständnis geht nun über die genannten Gesichtspunkte des Freiheitsbegriffes hinaus, wobei die angesprochenen Kennzeichen lediglich als die Grundlagen gelten, aus denen sich Freiheit entwickeln kann. Das Fehlen von Zwängen allein ist noch keine echte Freiheit; wirkliche Freiheit erwächst erst aus der tätigen Umsetzung der dadurch gegebenen Möglichkeiten, also im aktiven Handeln. Somit beinhaltet der burschenschaftliche Freiheitsgedanke auch eine Verpflichtung, nämlich die zu einem von verantwortlichem und verantwortungsbewußtem politischen Handeln geprägtem Leben.



    Ehre

Im burschenschaftlichen Denken stellt der Begriff der Ehre den zentralen Wert für die Grundlagen des gesellschaftlichen Miteinanders dar. Ehre bezeichnet dabei die einem Anderen von vornherein entgegengebrachte Achtung bzw. das grundsätzliche Ansehen einer jedweden Person. Die Anerkennung der Ehre eines Menschen übersteigt dabei die Verwirklichung eines bloß formal empfundenen Gleichheitsbegriffes, da jene sich auch auf den inneren Wert einer Person bezieht, dieser jedoch im Äußerlichen verharrt.

Als Ehrgefühl bezeichnet man die natürliche Veranlagung des Menschen, denjenigen Werten gerecht zu werden, die in der gesellschaftlichen Auffassung der ihm entgegengebrachten Ehre verbunden sind. Hier zeigt sich der bereits zuvor angesprochene Charakter der Ehre, in der äußerlicher und innerlicher Bezug untrennbar vereint sind.

Ehrerweisung durch Mitmenschen und das eigene Ehrgefühl verursachen beim Einzelnen die Verpflichtung zu einem wertorientierten Leben in allen Bereichen des menschlichen Daseins. Das Bewußtsein der eigenen Ehre und ein mit diesem in Einklang stehendes Handeln bedeuten zudem für das Individuum die Erkenntnis des eigenen, in sich ruhenden Wertes. An dieser Stelle zeigt sich die Ehre mit der Freiheit und der Verantwortlichkeit des Handelns aufs engste verknüpft uns ist Grundlage für den Maßstab, an dem sich beide abgleichen können.

Die Ehre zählt zu den höchsten Gütern eines jeden Menschen und gemäß den zuvor erkannten Merkmalen ist sie zugleich Antrieb, Halt und Voraussetzung für das Wirken des Einzelnen in der menschlichen Gesellschaft.

Die Burschenschaft erachtet die Bedeutung der Ehre für den Zusammenhalt in Volk und Gemeinschaft als maßgeblich. Die Wirklichkeit beweist in dieser Hinsicht die Überlegenheit der Ehre gegenüber rein formalen bzw. rechtlichen Einrichtungen. Aus diesem Grunde setzt sich die Burschenschaft für die Bewahrung und die Förderung des Ehrbegriffes in der Gesellschaft, sowie für den Schutz der Ehre des Einzelnen ein.



    Vaterland

So wie Freiheit und Ehre Werte darstellen, die ihren Ausgangspunkt im Bewußtsein der Einzelperson nehmen, sind sie andererseits nur in Zusammenhang mit dem Leben in einem Gemeinwesen denkbar. Die Umsetzung der Ideale Freiheit und Ehre in die Wirklichkeit bedarf eines klar umrissenen Rahmens, innerhalb dessen ihre Gültigkeit durchgesetzt und bewahrt werden kann. Die Erfahrungswelt zeigt, daß ein werteorientiertes gesellschaftliches Leben sich dort am nachhaltigsten in die Tat umsetzen läßt, wo bereits eine grundlegende Bindung der Gesellschaftsmitglieder durch gemeinsame Sprache, Geschichte, Kultur und Herkunft vorhanden ist. Insbesondere das Freiheitsideal läßt sich nur innerhalb des politischen Organisationsmodells der Nation verwirklichen. Dieser enge Bezug von Freiheitsideal und Vaterlandsbegriff ist grundlegend für das burschenschaftliche Denken.

Ähnlich dem rein individualistisch geprägten Freiheitsbegriff der französischen Revolution, galt auch deren Ideal des Weltbürgertums den ersten Burschenschaftern als eine fremde Idee, die sich im Troß der napoleonischen Heere in Deutschland Eintritt verschafft hatte. In dieser geschichtlichen Situation entstand ein burschenschaftlicher Vaterlandsbegriff, der auf dem mitteleuropäischen Konzept der volkstumsbezogenen Kulturnation gründete. Unter Kulturnation ist dabei eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft von Menschen mit dem Bewußtsein gleicher politisch-kultureller Vergangenheit bzw. Herkunft zu verstehen. Abgelehnt wurde dagegen der westliche, d.h. französische und später auch angloamerikanische Entwurf einer Willensnation, in die der Einzelne nach Belieben ein- bzw. wieder austreten kann. Diese begrifflichen Grundlagen bildeten den Ausgangspunkt für die Entwicklungsgeschichte der burschenschaftlichen Auffassung des Vaterlandsbegriffs.

Die Burschenschaft bekennt sich zur deutschen Geschichte und Kulturnation und tritt ein für die Förderung des Nationalbewußtseins und die Bewahrung der Eigenständigkeit und Weiterentwicklung der deutschen Kultur.